Der Berliner Hauptbahnhof

Feng Shui Treffen 1.11.2016 - Lesezeit ca. 7 Min.

Der Hauptbahnhof Berlin, der über die Spree getackerte Wasserschlauch, oder gleich der "Berliner Geisterbahnhof"? Auf jeden Fall aber: neue Architektur der Macht.

HBF Pano Balderunner City.jpg Bladerunner City

Deutschland ist schon ein merkwürdiges Land. Wir stehen total auf Nachhaltigkeit - und produzieren Autos und Waffen als ob es kein Morgen gibt. Wir adoptieren am liebsten das Schaf, das die Wolle für unseren Pullover gab und die Textildiscounter machen Überstunden. Wir stehen auf Öko und Natürlichkeit - und kaufen ein Reihenhaus von der Stange.

Irgendwie klafft da eine riesige Kluft zwischen Anspruch und Realität.

Und jetzt der Berliner Hauptbahnhof. Die großen Monumente wurden von Diktaturen errichtet. Im allgemeinen schätze ich mich sehr glücklich in einer Demokratie zu leben. Aber vor dem Hauptbahnhof stehend beschleichen mich Zweifel.

Im Ernst: was ist das denn für ein Gebäude? Die 3-7 Steinplatten vor dem Haupteingang „Europaplatz“ zu nennen ist reine Hybris, die Fassade auf Grund des zu kleinen Abstands überhaupt nicht wahrnehmbar. Dadurch, dass die Topografie Richtung Invalidenstrasse auch noch leicht ansteigt, verliert die Fassade zusätzlich an Kraft.

Begibt man sich auf die andere Seite des Gebäudes kann man die „Skyline“ Richtung Kanzleramt, Paul-Löbe-Haus und Reichstag über den Spreebogen hinweg genießen. Bewegen wir uns auf der Gustav-Heinemann-Brücke kommt das Gebäude voll zur Wirkung - Bladerunner City pur, neue Architektur der Macht, diesmal die des Architekten.

Ok, ein sehr teuerer Kunstdruck. An dem zudem ein Teil des Rahmen fehlt. Dank geht an dieser Stelle an Herrn Mehdorn für die Einsparung der Überdachung der Gleisanlage auf der Humboldt-Hafen-Brücke. Das hätte einfach zu gut ausgesehen. Dumm auch nur, dass die Glasteile bereits bestellt waren. Und im Ostbahnhof eingelagert wurden. Kurze Notiz: das Lager wurde vor kurzem aufgelöst, die Lagerungskosten überstiegen die Kosten einer planmäßigen Fertigstellung.

Und hier, wo man das „Europa“ eigentlich erwartet: der Washingtonplatz. Sollten wir an dieser Stelle über die Symbolwirkung von Straßennamen im öffentlichen Raum reden? Aber wir wollen an dieser Stelle nicht in Verschwörungstheorien abgleiten. ;-)

Aus Feng Shui Sicht kommt der "Bergdrache" aus nördlicher Richtung und wird von der Invalidenstrasse abgeschnitten. So entsteht „Wasser“ vor und hinter dem Gebäude, einmal virtuell durch die Straßenführung, einmal real durch den Spreebogen. Dazu kommen die Gleise, die sich hier in Nord-Süd und Ost-West Richtung kreuzen und eine Art „Qi-Strudel“ erzeugen. Wasser, Wasser überall…

Shopping Mall.jpg Shopping-Mall oder Bahnhof?

Betritt man das Gebäude fühlt man sich eher an eine Shopping-Mall erinnert. Ost- und West-Seite des Gebäudes sind gleichermaßen mit Einzelhandelsflächen bestückt. Was nicht weiter stören würde, wenn man nicht Einblick in die Gleisanlage im Tiefgeschoss hätte. Die Geländer bestehen lediglich aus gestellten Glasscheiben mit einem feinen Handlauf aus Edelstahl. Mit anderen Worten: Wer an Höhenangst leidet, kann hier ein wunderbares Desensibilisierung-Training durchführen.

Äußerst störend ist auch die mangelnde Orientierungsfähigkeit. Schon nach kurzer Zeit weiß man nicht mehr wo „Vorne und Hinten“ ist. Unser Feng-Shui Spaziergang führte uns lediglich durch den Eingang Washingtonplatz auf die Hochgleise und hinab auf die Tiefgleise und wir waren zum einen vollkommen desorientiert, zum anderen aber auch vollkommen „durchgepustet“ und ausgekühlt. Feng Shui beschreibt dies als starke Wind-Einflüssen, hier in Form der starken Bewegungsachsen und dem offenen Konvektionsraum, gepaart mit starken Wassereinflüssen.

Bahnsteig.jpg Bahnsteigknappheit neben dem Aufgang

Und, Ach!, die Hochebene des Bahnsteigs. Dank des nachträglich dann doch wenigstens halb fertig gestellten Daches steht „Hier […] keiner mehr im Regen“ und der Blick auf das gegenüberliegende Spree-Ufer sei doch ganz nett (Zitat Holger Auferkamp, Sprecher der Deutschen Bahn). Da sei doch mal die Frage erlaubt, warum die Überdachung die Sichtachse auf Kanzleramt, Potsdamer Platz und Reichstag im größten Teil des Bahnsteigs immer noch verhindert. In einer Feng Shui Planung hätten wir empfohlen die Überdachung so auszuführen, dass an strategischen Stellen genau diese Sichtachse mit Hilfe der Überdachung betont worden wäre.

Über die Bahnsteigsbreite auf Höhe der Aufgänge wollen wir gar nicht reden. Hier entsteht eine Engstelle, an der ich regelmäßig Angst habe auf die Gleise zu fallen, vor allem wenn der Bahnsteig nicht vollkommen leergefegt ist.

Tiefgeschoss.jpg Das Tiefgeschoss des HBF

Insgesamt herrscht in diesem Gebäude eine brutale Kälte. Dies ist besonders im Tiefgeschoss wahrnehmbar. Hier fühlt man die Spree geradezu physisch. Die (thermische) Kälte durchdringt uns hier bis in die Knochen, obwohl die Architektur hier eher metallisch-futuristisch ist, eine Szene wie aus einem Science-Fiction-Film, die Assoziation zur „Blade-Runner-City“ taucht wieder auf. Es ist als wäre man vollkommen aus allen Bezügen herausgenommen, man weiß nicht mehr in welcher Stadt, noch welches Jahr es ist.

Interessant auch: das Tiefgeschoss wirkt von der reinen architektonischen Gestaltung thermisch wärmer als die oberen Ebenen. Nur die körperliche Wahrnehmung steht im Kontrast dazu, da die wässrige Kälte der Spree körperlich stärker wahrnehmbar ist als die Architektur. Es ist als ob alle Flussgeister der Spree über den Bahnsteig schwappen würden - der Hauptbahnhof: ein Geisterbahnhof. Und auch an dieser Stelle wieder vielen Dank an Herrn Mehdorn: die geplante Gewölbedecke wäre so viel ästhetischer (und billiger) gewesen.

Tiefgeschoss Matrix.jpg Berliner Hauptbahnhof oder "Die Matrix"?

Wie kann man dieses Gebäude aus Feng Shui Sicht beurteilen? Na ja, vielleicht wie einen Plastikschlauch, den man über die Spree getackert hat. Die Dachkonstruktion: der Schlauch, das Bahnhofsgebäude: die Klammer. Das Gebäude entwickelt eine so starke Übermacht und Gewalt, dass das vornehmlich wahrnehmbare Element hier tatsächlich Wasser ist. Das schräg hängende Vordach ist in dieser Dimension geradezu beängstigend, ich wußte nicht ob ich mich erschlagen oder verschlungen fühlen sollte.

Daher auch der Zeitpunkt unseres Feng Shui-Spaziergangs: das Wasser entwickelt Nachts, bei Kälte und im Winter die stärkste Kraft. Was meine persönliche Wahrnehmung angeht, drang während der kurzen Zeit, die wir hier verbracht haben soviel Kälte in meinen Körper ein, dass ich noch drei Tage später fror.

Die Formverliebtheit der Architekten ist sprichwörtlich. Was den Berliner Hauptbahnhof angeht scheint es, dass sich hier niemand Gedanken darüber gemacht hat was diese Formsprache tatsächlich in den Menschen auslöst, die diese Gebäude nutzen müssen. Die Lösung wäre, in jeden Planungsprozess dieser Größenordnung einen erfahrenen Feng Shui Berater einzubeziehen. Ich würde mich sehr gerne dafür anbieten. Nicht unbedingt aus Hybris, denn: für ein derartig verkorkstes Gebäude bereits in der Planung Verbesserungen vorzuschlagen wäre tatsächlich recht offensichtlich und einfach. Sogar einer meiner Schüler könnte bereits nach dem 3. Ausbildungsmonat die Schwachstellen einer derartigen Gestaltung identifizieren.

Das Feng Shui Center Berlin organisiert in 14-tägigen Abständen ein Feng-Shui-Treffen an wechselnden Orten in Berlin. Es richtet sich an alle Menschen, die sich für Selbsterkenntnis und ihren Lebensraum interessieren. Weitere Informationen finden Sie unter: feng-shui-center-berlin.de/feng-shui-treffen.html