Interview mit:

Peter Fischer, Leiter FSCB

2006: Interview mit dem Leiter des Feng Shui Center Berlin. Über Feng Shui im Westen, Esotrik, die beste Schule und Feng Shui Meister.

Herr Fischer, wie kamen Sie als „Westler“ mit einem vollkommen kulturfremden Thema wie Feng Shui in Kontakt?

Na ja, meine Verbindung zum asiatischen Kulturraum war zuallererst einmal genetische und damit nur latent vorhanden: Mein Ur-Urgroßvater war Chinese! Mein Vater hat mir kurz vor seinem Tod noch ein Bild von ihm gezeigt: 1,60m Groß, kreisrundes Gesicht, traditionelle chinesische Tracht, chinesische Frisur, langer fransiger Bart, das volle Programm! Ich konnte es kaum glauben. Ich habe das recherchiert. Aus dem Umkreis von Frankenthal, der Stadt aus der mein Vater stammte, gibt es Berichte von chinesischen Arbeitern die ab der Jahrhundertwende und während des ersten Weltkriegs hier arbeiteten. Vielleicht erklärt das auch warum ich in jungen Jahren so eifrig Kampfsport trainierte.

Aber wie kamen Sie zu Feng Shui?

Na, das war eher wie die Jungfrau zum Kind! Mein erster Kontakt fand 1995 in Form eines Buches statt, dass ich als groben Unfug erst einmal wieder in die Ecke zurück beförderte, in der ich es gefunden hatte. Rote Wollfäden um Wasserleitungen zu binden um das Trinkwasser, das daraus floss, zu energetisieren – das wollte mir nicht ganz einleuchten. Kurze Zeit später traf ich dann meine heutige Frau. Sie war damals schon Feng Shui Beraterin und hatte nach ihrem Architekturstudium die Ausbildung zum Feng Shui Berater abgeschlossen und den ersten Feng Shui Einzelhandel Deutschlands eröffnet und ich dachte nur: „Oh mein Gott, sie ist ja wirklich ein süßes Ding, aber Feng Shui Beraterin? Das darf ja wohl nicht wahr sein!“ Mein Strategie war die der „Offenen Tür“: möglichst wenig Widerstand, möglichst wenig Einwände, dann kriegen wir das schnell aus dem System. In der Folge gestalteten wir meine Junggesellenbude um, so mit dem Hintergedanken „Bringt ja eh nix!“ aber ich konnte den Effekt der sich einstellte nicht mehr wegdiskutieren – mein Interesse war geweckt.

Welche Effekte waren das?

Nun...ich konnte konzentrierter Arbeiten, schlief besser, ich fühlte mich in derWohnung einfach wohler.

Dann war auch ziemlich schnell unser Sohn unterwegs und ich entschied mich nach Berlin zu meiner heutigen Frau zu ziehen – eine folgenschwere Entscheidung. Während der Babybauch immer größere Dimensionen annahm wurde ich als „Schwangerschafts-Aushilfe“ in besagtem Laden verpflichtet und musste dem damals aufkeimenden Interesse an Feng Shui Frage und Antwort stehen. Ich las mich also durch die damals erhältliche Literatur (was damals nicht länger als ein paar Abende dauerte) und fing an Seminare zu besuchen. Dabei traf ich sehr interessante Lehrer, europäische genauso wie asiatische, und bevor ich irgendetwas wusste, war ich Feng Shui Berater.

Wann war das genau?

Oh, so ca. 1998. Aber damals hieß "Feng Shui Berater" zu sein noch etwas vollkommen anderes. Der Begriff war sehr stark mystifiziert. Es war eine wirklich faszinierende Situation, denn Ende der 90er Jahre kamen viele asiatische Lehrer nach Europa und ich saß in einem Feng Shui Laden und war direkt am Puls der Zeit. Ich reiste nach London, Zürich, München um all die großen Namen wie Raymond Lo, Lilian Too, Chan Kun Wah, Stephen Skinner, Yap Cheng Hai, Derek Walters und William Spear persönlich zu treffen. So begegnete ich dann auch meinen späteren Hauptlehrern: dem Sinologen Manfred Kubny, der sich sehr um die chinesische Astrologie bemüht hat und den Architekten Howard Choy, der in seiner Arbeit auf ganz praktischer Ebene Feng Shui und Raumgestaltung vereint. Die Ausbildung in chinesischer Astrologie machte ich übrigens auf Anraten meines taiwanesischen Lehrers Ya Tsung Huang, der mir erklärte ohne Bazi Suanming (chin. Astrologie) bräuchte ich gar nicht erst anfangen Feng Shui zu lernen. Es hat eine Weile gedauert bis ich verstand was er meinte.

Eine wilde Geschichte. Es gab ja bereits zahlreiche Versuche Feng Shui zu definieren. Was ist Ihre Definition?

(Lacht) Oh je, das ist wirklich wahr, die Meinungen darüber was Feng Shui eigentlich ist, sind so weit gestreut wie die Milchstraße. Jeder Mensch, der sich intensiver mit der Materie auseinandersetzt, entwickelt da eine ganz eigene Sichtweise. Aus meiner eigenen Perspektive würde ich sagen: Feng Shui untersucht die Interaktion zwischen Mensch und Raum. Feng Shui ist ja neben Techniken wie Akupunktur, Qi Gong oder Tuina Bestandteil der klassischen chinesischen Medizin. Verwenden wir daher die chinesische Medizin als Analogie; hier wird der Qi-Fluß innerhalb des menschlichen Körpers untersucht. Wo das Qi nicht mehr richtig fließen kann entstehen Blockaden, die zu Erkrankungen führen. Im Feng Shui verwenden wir ganz ähnliche Betrachtungen: denken Sie an einen Flusslauf und seine natürliche Entwicklung. In Bereichen in denen sich Altflussarme bilden, kann das Wasser nicht mehr richtig zirkulieren. Hier entstehen Tümpel die keine Trinkwasserqualität mehr haben und Moskitos fangen an in diesen Bereichen zu nisten. Es sind generell Bereiche die Probleme für den Menschen schaffen. Aus Feng Shui Sicht würden wir sagen, dass auch hier das Qi nicht mehr richtig zirkulieren kann.

Was genau bitte ist „Qi“? War das nicht diese „Energie“ über die immer gesprochen wird?

Entschuldigung. Ja, Qi ist ein terminus technicus den wir im Feng Shui wie selbstverständlich benutzen. Dabei ist der Begriff „Qi“ wohl einer der am meisten falsch übersetzten Begriffe. Nur der Begriff „Karma“, der als „Schicksal“ und nicht als „Ursache und Wirkung“ übersetzt wird hat eine ähnliche Leidensgeschichte hinter sich. Manfred Kubny hat dem Begriff „Qi“ ja ein ganze Doktorarbeit gewidmet. Der Qi Begriff ist demnach sogar im chinesischen Kulturraum nicht einheitlich definiert und hat über die Jahrhunderte hinweg verschiedene Auslegungen erfahren. Kubny übersetzt Qi als „Lebenskraftkonzept“ was der Sache wohl ziemlich nahe kommt, aber immer noch etwas kurz gegriffen ist. Auch Kubny kommt zu diesem Schluss und empfiehlt den Begriff Qi als Idiom aufzunehmen da er letztendlich als nicht übersetzbar gilt. Es gibt einfach keine begriffliche Entsprechung im westlichen Kulturraum.

Woran liegt das?

Nun ja, gehen wir vielleicht einmal von der Übersetzung von Qi als „Energie“ aus, da dies einen guten Erklärungsansatz bietet. Zuerst einmal: unser heutiger Energiebegriff entscheidet sich offensichtlich grundlegend vom Energiebegriff eines Chinesen im 4. Jahrhundert nach Christi. Strom, Benzin, Mobilfunk, Batterien, all diese alltäglichen Gebrauchsgegenstände formen einen gänzlich unterschiedlichen Energiebegriff. Versetzen Sie sich in die Lage des genannten Chinesen: Berge werden zu Bergdrachen, Flüsse zu Wasserdrachen, Frühnebel sind das offensichtlichste Anzeichen des Qi, das die Grundlage für das Wachstum der Reispflanzen bildet. Ich denke, wenn Sie diese Naturbilder eine Weile wirken lassen erkennen Sie die Unterschiede sehr deutlich. Der nächste große Unterschied ist einfach darin begründet dass wir traditionell in unserer eigenen Mystik eine klare Grenze zwischen Grobstoff und Feinstoff ziehen. Entweder es ist Aberglaube oder aber wissenschaftlich nachweisbare Realität. Der Qi-Begriff propagiert ein vollständig anderes Bild von „Realität“. Hier existieren Fein- und Grobstoff gleichberechtigt miteinander und stehen in ständiger Interaktion. Das Sichtbare existiert nur, weil es vorher etwas Unsichtbares gab, das das es erzeugt hat. Und das Unsichtbare ist auch immer ständig im Sichtbaren enthalten. Untersuchen wir als Beispiel den Begriff „Feng Shui“: „Feng“ ist der Wind, repräsentativ für den Feinstoff, „Shui“ ist das Wasser repräsentativ für den Grobstoff. Den Wind als solchen können wir nicht sehen, wir können ihn nur über die Wirkung die er auf unsere materielle Welt hat wahrnehmen. Ganz anders das Wasser: wir können es wiegen, messen, analysieren. Wenn wir das Wasser jedoch in einem offenen Gefäß stehen lassen ist es schon nach kurzer Zeit verdunstet. Das ist natürlich auch als Analogie für Vergänglichkeit an sich zu sehen. Egal wie massiv ein Haus ist: wenn sie lange genug warten ist es verschwunden. Es zerfällt, wenn niemand mehr darin wohnt oder wird abgerissen und ein neues Haus entsteht an der gleichen Stelle. Ganze Kulturen und Galaxien entstehen und vergehen. Also ist auch in grobstofflichen Substanz ein feinstofflicher Bestandteil enthalten der vor allem mit zeitlichen Qualitäten assoziiert werden kann. Sonst könnten die Dinge nicht im ständigen Werden und Vergehen begriffen sein. Genau dass will uns aber „Qi“ sagen: „Denkst Du das es so ist, nur weil Du es siehst? Wie lange ist es schon so? Wie lange wird es sein? Wohin wird es sich wandeln, was passiert als nächstes, was ist die verborgene Struktur hinter dem Sichtbaren?“

Ein sehr schönes Bild. Kommen wir zurück auf die Analogie zur TCM.

Denken Sie wieder an den Flussverlauf und die Altflussarme: auch im Feng Shui unterscheiden wir zwischen „fließendem“ und „stoppendem“ Qi. Ein grundlegendes Ziel in jeder Beratung ist es, einen angemessenen Ausgleich zwischen Fluss und Sammlung von Qi herzustellen. In der Architektur redet man vielleicht eher von „Bewegungsachsen“ und „Ruhezonen“. Der Unterschied zur mehr funktionell orientierten Sichtweise der Architektur ist jedoch der viel gerühmte ganzheitliche Ansatz. Uns interessiert in erster Linie wie ein Mensch auf einen bestimmten Raum reagiert. Daher steht die systematische Erfassung unserer eigenen subjektiven Reaktion auf ein bestimmtes Umfeld im Vordergrund. Im weiteren Verlauf einer Analyse versuchen wir diese Beobachtungen in einen objektiveren Bezug zu stellen. Dazu verwenden wir bestimmte abstrakte Erklärungsmodelle wie den Qi Fluss, die „Vier Tiere und 5 Punkte“ oder komplexe Berechnungen wie die „fliegenden Sterne“, um nur ein paar zu nennen. Aus diesem systematischen Ansatz heraus entsteht eine Art „Programmierzeile“ die wir im nächsten Schritt dazu verwenden individuelle Lösungen für eine bestimmte Aufgabe zu finden.

Das ist jetzt aber ziemlich abstrakt, können Sie das an einem Beispiel erklären?

Gerne. Lassen Sie mich Ch'ing-yüan Wei-hsin (Seigen Ishin) zitieren, Ch'uan Teng Lu hält in "The Way of Zen" seine Worte wie folgt fest:

"Before I had studied Zen for thirty years, I saw mountains as mountains, and waters as waters. When I arrived at a more intimate knowledge, I came to the point where I saw that mountains are not mountains, and waters are not waters. But now that I have got its very substance I am at rest. For it's just that I see mountains once again as mountains, and waters once again as waters."

"Bevor ich mein 30-jähriges Studium des Zen begann, sah ich Berge als Berge und Wasser als Wasser. Nachdem sich mir ein wesentlich Tieferes erschlossen hatte, sah ich, dass Berge nicht Berge sind und Wasser nicht Wasser ist. Aber nachdem ich die wahre Essenz erfasst hatte, kam ich zur Ruhe. Denn ich konnte Berge wieder als Berge und Wasser wieder als Wasser sehen."

Was er in Worte fassen wollte ist der Prozess der jeder Feng Shui Beratung zu Grunde liegt: Im ersten Schritt erfolgt eine spezifische Analyse aller Umgebungseinflüsse. Dieser erste Schritt ist rein phänomelogisch aufgebaut: der Berg ist Berg, das Wasser ist Wasser. Wir gehen in eine Betrachtung und Wahrnehmung unseres Umfeldes und achten darauf welche Gefühle und „Resonanzen“ in uns entstehen. Im zweiten Schritt erfolgt eine Systematisierung dieser Beobachtung: der Berg ist nicht mehr Berg, das Wasser nicht mehr Wasser. Über die Analyse wird das Wahrgenommene abstrahiert, sortiert, geordnet. Die Intuition, das Wahrgenommene kann in Worte gefasst werden und wird kommunizierbar. In diesem Schritt erfolgt auch die Zielsetzung oder „Gestaltungsrichtlinie“ die zur Lösung des Problems zwingend eingehalten werden muss.
Im nächsten Schritt erfolgt die Umsetzung dieser Gestaltungsrichtlinie: der Berg wird wieder Berg, das Wasser wieder Wasser. Aus der Gestaltungsrichtlinie werden gemeinsam mit dem Kunden detaillierte Einzellösungen erarbeitet.

Schauen wir uns an einem einfachen Beispiel an, wie diese Vorgehensweise funktioniert: Ein Kunde möchte im Souterrain ein Büro einrichten. Wir betreten den Raum und fühlen uns spontan unwohl, der Raum fühlt sich dumpf und drückend an. Wir analysieren dieses Gefühl und stellen fest, dass durch die abgesenkte, dunkle Lage in diesem Raum ein Yin Übergewicht entsteht. Also muss die Priorität in der Gestaltungsrichtlinie heißen, mehr Yang in diesen Raum zu bringen. In der Umsetzung könnte dies unter anderem bedeuten lebendige Farben in den Raum zu bringen, die Beleuchtung zu optimieren, die Fenster zu vergrößern. Aber dies sind nur Beispiele. Die Qualität dieser Vorgehensweise ist ja, dass ich aus der gleichen „Programmierzeile“ 1000 und 1 Gestaltung entwickeln kann. Natürlich wären in einer Beratung auch viele verschiedene Ebenen parallel zu betrachten und auf ihre Priorität hin zu sortieren.

Zusammenfassend könnte mal also sagen:
Im Feng Shui versuchen wir alle möglichen Umgebungseinflüsse, an einem bestimmten Standort, zu einem bestimmten Zeitpunkt, für einen spezifischen Menschen abzufragen, um zu erkennen wie das Umfeld den Menschen bei der Verfolgung seiner Ziele an diesem Ort beeinflusst. Die Einflüsse die abträglich sind versuchen wir zu vermindern, die Einflüsse die förderlich sind betonen wir.

Das klingt jetzt aber ganz anders als die „Reichtumsecke“ die in vielen Büchern beschworen wird.

(Lacht) Ich hoffe doch! Feng Shui als Technik der Umgebungsbeobachtung ist mehrere 1000 Jahre alt. Wenn nicht irgendetwas an dieser Technik dran wäre, hätte sie die Zeit nicht überdauert. Denken Sie doch einmal an die vielen Ernährungslehren die immer wieder neu entwickelt werden. 10 Jahre später spricht niemand mehr davon, weil diese Theorien einfach nicht funktioniert haben. Denken Sie im Gegensatz an die chinesischen Ernährungslehre: die gibt es genau so lange wie es die chinesische Medizin gibt. Und warum? Weil sie nicht eine einzige fest vorgeschriebene Ernährung für alle Menschen propagiert, sondern die thermische und therapeutische Wirkung von Lebensmitteln beobachtet und für einen Menschen mit einer spezifischen gesundheitlichen Konstitution einen individuellen Ernährungsplan zusammenstellt. Was für den Einen gut ist, ist für den Anderen eben noch lange nicht gut!

Was halten Sie von der Theorie des „3 Türen Bagua“?

Oh je, jetzt muss ich aber aufpassen, dass ich niemandem zu nahe trete. Zuerst einmal eine einfache historische Wahrheit: Im klassischen Feng Shui kommt das 3 Türen Bagua nicht vor. Es existiert einfach nicht. Wenn Sie heute nach China oder Taiwan gehen und einem Chinesen davon erzählen wird er ziemlich große Ohren kriegen. Er hat nämlich noch nie davon gehört.

Wieso redet dann jeder im westlichen Kulturraum im gleichen Atemzug von Feng Shui und dem 3-Türen Bagua?

Nun, meine Theorie ist, dass wir dies einem Herren Namens Lin Yun zu verdanken haben. Er ist ein ordinierter taiwanesischer Priester, der nach Amerika auswanderte und dort seine eigene Sekte gründete, die Black Hat Sect of Tibetan Buddhism. Bitte fragen Sie mich nicht was diese Sekte mit tibetischem Buddhismus zu tun hat. Ich habe mehrere tibetische Würdenträger nach Lin Yun gefragt und sie kannten ihn nicht. Auf der anderen Seite wird er wohl von ein paar Millionen Chinesen als Erleuchteter verehrt. Wie dem auch sei: Lin Yun hat Feng Shui als ein Mittel genutzt, um seine eigene Sekte in Amerika zu promoten, denn gerade die asiatisch-stämmigen Bevölkerungsanteile sind für Feng Shui sehr empfänglich. Er zog dann viele begabte westliche Schüler an, die seine Theorien niederschrieben und so verbreitete sich die Theorie immer weiter, bis sie vor allem über Misao Kushi Schüler („Makrobioten“) nach Europa schwappte.

Das Ganze ist ja auch nicht vollkommen abwegig. Letztlich finden sich viel Elemente des klassischen Feng Shui im 3-Türen Bagua wieder: Das Bagua, das Yi Jing, die 5 Elemente. Es stellt in dieser Form lediglich eine sehr reduzierte Form des Feng Shui dar. „Feng Shui Light“ sozusagen. Es beschränkt sich sehr stark auf die psychologischen Aspekte des Feng Shui. Was nicht weiter verwundert, wenn man sich überlegt, dass Lin Yun, der Entwickler dieses Modells, eine Ehrendoktorwürde der psychologischen Fakultät der UCLA verliehen bekam.

Die Funktionsweise dieses Systems ist ja auch vollkommen psychologisch: 1. Ich erkenne, dass ich ein Problem habe. 2. Ich beschließe etwas zu verändern. 3. Ich definiere ein Ziel. 4. Ich verankere diese Zielsetzung durch die Technik des 3-Türen Bagua im Raum. Durch den räumlichen Anker werde ich immer wieder auf meine Zielsetzung verwiesen, dadurch verliere ich das Ziel nicht mehr so schnell aus den Augen. Das erinnert jetzt ja schon sehr stark an NLP oder? Na ja, wenn man genau hinschaut enthält das klassische Feng Shui ja auch einen stark systemisch geprägter Ansatz.

Mein Kritikpunkt am 3-Türen-Bagua ist eigentlich nur, dass es oft als einziges System in einer Feng Shui Beratung angewendet wird. Sobald Sie aber versuchen einen Raum unter Anwendung dieses Systems zu gestalten bekommen Sie aber massive Probleme, dazu war das 3-Türen-Bagua ja auch nie gedacht.

Aus meiner Sicht wäre es eine Technik von vielen, die ich in einer Beratung anwenden kann. Eine Beratung enthält mindestens 6 Ebenen, oft sogar 20 oder 30. Man darf also nicht die Technik an sich kritisieren, sondern eher die Berater die sie anwenden. Wobei das wahrscheinlich auch schon wieder unfair ist. Denn die meisten Berater arbeiten mit Feuereifer und riesigem Idealismus. Man muss wohl eher bei den Schulen nachschauen, die diese Berater schlecht ausgebildet haben. Um hier einen einheitlichen Standard zu schaffen, engagieren wir uns ja auch im Berufsverband für Feng Shui und Geomantie e.V.

Können Sie etwas mehr über die verschiedenen Ebenen in einer Feng Shui Beratung erzählen?

Gerne. Der Daoismus sieht den Menschen als ein Wesen, das in Abhängigkeit von Himmel und Erde existiert. Er geht davon aus, dass aus dem „Wu Ji“ dem „Höchsten Einen“, das einen Zustand von Nicht-Differenzierung bezeichnet, Yin und Yang hervorgingen. Das Yang war leichter als das Yin und stieg auf, um den Himmel zu formen, das Yin war schwerer als das Yang und sank ab, um die Erde zu bilden. Nachdem Yin und Yang und in der Folge Himmel und Erde entstanden waren, konnten die 10.000 Dinge entstehen und damit auch der Mensch. Das bedeutet im Umkehrschluss natürlich, dass der Mensch nur in Abhängigkeit von Himmel und Erde existieren kann. Der Daoist sieht also nicht den Menschen als Mittelpunkt des Kosmos, er ist eher eines von vielen Wesen zwischen Himmel und Erde und muss sich der „Die Schöpfung“ unterordnen, indem er seinen Platz in ihr findet. Das Himmels-Qi nehmen wir in Form von Atmung auf, das Erd-Qi in Form von Nahrung. Diese drei grundlegenden Kräfte von Himmel, Erde und Mensch (Tian, Di, Ren) nennen wir die „San Cai“ oder die drei ontologischen Entitäten. Um eine Situation also in ihrer Vollständigkeit zu erfassen müssen wir zuerst einmal diese drei Ebenen in unserer Analyse berücksichtigen. Deshalb sagen wir auch: Feng Shui bedeutet zur richtigen Zeit (Himmels-Qi) am richtigen Ort (Erd-Qi) das Richtige zu tun (Menschen Qi). Diese drei Ebenen können wir noch einmal unterteilen in Yin und Yang, wobei wir in diesem Fall Yang als das Formhafte und Yin als das subtile Qi verstehen (in der TCM ist es genau umgekehrt, hier steht das Yin für die Substanz des Körpers). So entstehen dann die 6 grundlegenden Ebenen:
(1) Sichtbares Himmels-Qi (Sonnenumlauf, Belichtung & Verschattung, Klimaeinflüsse etc.)
(2) Subtiles Himmels-Qi (Astrologische & Zeitliche Einflüsse, komplexe Berechnungen wie die fliegenden Sterne, BaZhai sowie 3-Türen Bagua etc.)
(3) Sichtbares Erd-Qi (Wände, Türen, Fenster, Berge, Flussläufe, Topografie etc.)
(4) Subtiles Erd-Qi (Durch umbauten Raum erzeugte Atmosphäre, „Drachenadern“, „Xue“ etc.)
(5) Sichtbares / Bewusstes Menschen-Qi (Was der Kunde sagt)
(6) Subtiles / Unbewusstes Menschen-Qi (Was der Kunde nicht sagt, seine Hoffnungen und Befürchtungen)

Wie Sie sehen sind in diesen 6 Ebenen wieder viel weitere enthalten, so entstehen in einer Beratung leicht um die 20, 30 Analyseebnen, die natürlich oft nicht in aller Einzelheit mit dem Kunden besprochen werden. Oft begrenzen wir uns in der Dokumentation des Falles darauf einzelne Ebenen hervorzuheben, die das Problem möglichst stringent darstellen. Letztendlich bilden diese Ebenen mit ihren unterschiedlichen Analysewerkzeugen auch den Inhalt unserer Ausbildung am Feng Shui College Berlin.

Können Sie uns zur Entwicklung des Feng Shui im westlichen Raum etwas sagen?

Ja, sicher. Durch meine Arbeit im „Feng Shui Einzelhandel“ bekam ich natürlich unendlich tiefe Einblicke hinter die Kulissen. Sehen Sie das Problem gerade in der Anfangszeit Ende der 90er war (und ist) ja, dass es keinen einheitlichen Standard weder in der Ausbildung noch in der Anwendung gab. Man konnte am ersten Tag ein Buch lesen, am zweiten Tag war man Feng Shui Berater und am dritten Tag eröffnete man eine Schule. In der TCM (Traditionelle Chinesische Medizin) war das nicht so einfach, da die TCM bis heute in China ausgeübt wird und man sich auf akademischer Ebene für dieses Thema interessiert hat.

Hier liegt der Knackpunkt: Feng Shui ist in China selbst verboten und die westlichen akademischen Kreise sehen Feng Shui bis zum heutigen Tag als eine üble Form des Aberglaubens – sicher nicht vollkommen zu unrecht. Doch bevor man etwas verdammt sollte man sich doch erst einmal damit beschäftigen! Somit gibt keine Forschung, es sind nur einzelne Klassiker übersetzt. Ohne akademische Studien keine Zertifizierung, ohne Zertifizierung grober Wildwuchs.

So Mitte/Ende der 90er als ich meine erste Feng Shui Berater Ausbildung absolvierte erschien gerade das erste englische Buch von Eva Wong in dem sie viel über das System der „Fliegenden Sterne“ schrieb. Ich kann aus heutiger Sicht nicht behaupten, dass viel in diesem Buch stand, aber nach der Lektüre wusste ich über die „Fliegenden Sterne“ mehr als mein damaliger Ausbildungsleiter. Das spricht doch Bände. Der gleiche Lehrer behauptet bis heute er hätte bereits in den 80ern Feng Shui im asiatischen Raum gelernt. Wahrscheinlich blieb wohl nicht so viel hängen weil er kein Chinesisch konnte (lacht) aber es klingt erst mal gut wenn man eine Beraterausbildung verkaufen will. Aber was soll´s so war das eben.

In den nachfolgenden Jahren schwappte dann eine chinesische Welle nach anderen über uns hinweg und man versuchte alle Kurse mitzubekommen die man kriegen konnte. Die erste Welle war die teuerste, die nachfolgenden wurden immer billiger, bis der Markt vollkommen trockengelegt war. Wenn man heute darüber nachdenkt – die ersten LoPan Kurse wurden auf einem Kreuzfahrtschiff abgehalten und kosteten 10.000,- DM! Aber für einen Feng Shui Interessierten gab es ja damals kein alternatives Angebot. Danach verlagerten sich die damaligen chinesisch-stämmigen Lehrer wie die Heuschrecken auf „unverbrauchte“ Märkte außerhalb Deutschlands.

Jetzt liegt es an den idealistischen Westlern den Scherbenhaufen zusammen zu fegen und aus Feng Shui eine stringente Theorie zu formen. Leider fehlen uns dazu bis heute die chinesischen Quellen in einer westlichen Übersetzung. Bis heute ist der Einblick in diese Materialien sehr schwer. Rückblickend kann man jedoch sagen, dass sich Feng Shui gerade in den letzten Jahren sehr stark professionalisiert hat und aus der "Eso-Ecke" heraus kommt. Feng Shui Wissen wird mit westlichem Wissen über Architektur, Inneneinrichtung und Gestaltung abgeglichen und so entsteht eine starke gegenseitige Bereicherung.

Können Sie uns etwas zu den verschiedenen Feng Shui Schulen sagen?

Ich würde sagen, es gibt 3 grundlegend verschiedene Stile und jeder hat seinen eigenen Geschmack:

(1) Das Prinzip des ersten Stils heißt „Angst“.
Sie wissen, dass Sie an einen Berater dieser Schule geraten sind, wenn Sie Aussagen hören wie: „Wenn Sie in diesem Haus/dieser Wohnung wohnen ist es unvermeidbar dass Sie früher oder später an Darmkrebs/Herzschlag/galoppierender Dummheit sterben werden. Sie haben da ein ernsthaftes Problem, aber wenn Sie mir viel Geld geben, kann ich Sie vielleicht noch retten.“ Man soll es nicht für möglich halten, aber solche Aussagen werden auch heute noch in Feng Shui Beratungen gemacht und Kunden bezahlen bereitwillig.(lacht) Kein Kommentar.

(2) Das Prinzip heißt „Gier“.
Und ist leider nicht ganz so einfach zu durchschauen, weil wir alle nur zu gerne verführbar sind. Prinzipiell funktioniert die Beratung nach dem Prinzip: „Wow, tolle Wohnung, da muss es Ihnen finanziell ja ganz hervorragend gehen. Nein tut es nicht? Ach so, die San-He Verbindung ist nicht ganz geschlossen, deswegen. Ist aber gar nicht schwierig. Ich mach Sie zum Millionär, kostet natürlich was. Wie viel haben Sie dabei? Betrachten Sie es als Investition.“ Westlich aufgeklärte Menschen, die sich weigern die Ideale der Aufklärung so ohne weiteres aufzugeben haben mit diesem Standpunkt so ihre Probleme. Aber bis heute sind Feng Shui Seminaranbieter die sich im Besitz der „ultimativen Feng Shui Formel“ wähnen (die dazu noch auf „den letzten Kaiser“ zurückgehen) ungemein erfolgreich. Dabei sind die Erfolge dieser Formel nur mit selektiver Wahrnehmung zu erklären und die Misserfolge damit, dass man eben die Ausbildung noch nicht abgeschlossen hat und man noch mal ein Jahr dranhängen muss. Und danach noch mal eins. Erstaunlicher Weise dauert es eine ganze Weile bis die Schüler dieser Feng Shui Richtung aufwachen – was mit äußerster Zuverlässigkeit spätestens passiert, wenn ihnen das Geld ausgeht. Die Hoffnung nach dem Lottogewinn ist meiner Meinung nach durchaus vertretbar und ich selbst wähne mich auch nicht ganz frei davon (lacht). Im Ernst: ich habe mich dabei erwischt, wie ich jede einzelne „Reichtumsformel“ die es auf dem Markt gibt ausprobiert habe. Aber der Lottogewinn ist bis heute ausgeblieben. Hm. Muss wohl die falsche Formel gewesen sein (lacht).

(3) Das Prinzip heißt „Unser Bewusstsein erzeugt und interagiert mit der Welt in der wir leben“.
Leider gibt es bei dieser Schule keine schnellen Lösungen, wir sind für unser Leben selbst verantwortlich und können keinem die Schuld in die Schuhe schieben. Also ist die Farbe des Sofas doch nicht für den letzten Ehekrach schuld (grinst). Irgendwie ist diese Schule ein bisschen unbequem und unpopulär. Es gibt keine klaren schwarz/weiß Aussagen und bei allem „kommt es immer irgendwie drauf an“. (lacht) In unseren Ausbildungsgruppen ist das schon zum Bonmot geworden. Immer wenn ich die Schüler etwas frage und sie wissen die Antwort nicht so richtig sagen sie mir: „Es kommt darauf an“. Denken Sie mal, ich stelle eine Frage zur Wandfarbe: „Welche Wandlungsphase sollte bei diesem Kunden im Schlafzimmer dominant sein, welche Akzentfarben benötigen wir?“ Und sie antworten mir: „Es kommt darauf an!“ (lacht) In der Regel beharre ich aber darauf, dass meine Schüler mir erklären worauf es ankommt: Nämlich auf Himmel, Erde und Mensch und die Bedingungen an einem Ort zu einer bestimmten Zeit für einen bestimmten Menschen. Wir haben damit also bestimmt die kleinsten Ausbildungsgruppen der Feng Shui Gemeinde aber auch die aufgewecktesten Schüler.

Das ist eine interessante Klassifizierung der verschiedenen Feng Shui Schulen. Ich dachte dabei eher an Schulen, die sich auf bestimmte Inhalte oder Meister beziehen.

Ach so! Na ja, grundsätzlich gibt es da inhaltlich eigentlich nur zwei Schulen: die „Formen-Kraft-Schule“ (auch Form-Schule genannt) und die „Struktur-Qi-Schule“ (auch: Kompass-Schule).

Bei der Form-Schule handelt es sich um ein System, dass sich sehr stark auf genaue Umgebungsbeobachtung stützt. Dabei wird sehr auf die Reaktion des eigenen Körpers geachtet: welche Gefühle, Atmosphäre etc. entstehen durch ein bestimmtes Umfeld. Im zweiten Schritt wird analysiert welche materiellen Einflüsse diese Gefühle in uns erzeugen. Es ist ein eher intuitiver Ansatz der auf klar definierten Erklärungsmodellen gründet.

Dem entgegen steht die Kompass-Schule. Hier gehen wir von abstrakten Berechnungen aus, die auf die 8 Trigramme, die 64 Hexagramme des Yi Jing, den 60-stelligen Zyklus oder bestimmte Zeitqualitäten als Grundlage verwenden. Wir verstehen die Ergebnisse dieser abstrakten Berechnungen als energetisches Potential und überprüfen in wie weit sich die Potentiale manifestiert haben. Es ist ein sehr analytischer Ansatz.
Ein professioneller Berater sollte sowohl Techniken der Form- als auch der Kompass-Schule beherrschen. Nur durch einen Abgleich von Verstand und Intuition kommen wir zu einem vollständigen Bild.

Es liegt natürlich in der Natur der Sache, dass es nur sehr wenig Diskussion über die Theorien der Formschule gibt. Ein Wand ist schließlich eine Wand und bietet auf Grund ihrer Präsenz nur sehr wenig Diskussionsgrundlage über ihre wahre Natur. Ich meine: Sind wir doch mal ehrlich! Wenn Sie gegen eine Wand laufen haben Sie eine Beule am Kopf - egal wie lange Sie dastehen und diskutieren! (lacht) Deshalb gibt es auch nur eine Form-Schule. Und obwohl ihre Grundregeln sehr einfach zu lernen sind, ist sie äußerst komplex in der Anwendung.

Bei der Kompass-Schule ist es genau umgekehrt: Da wir hier über energetische Potentiale reden, die durch unsere körperliche Wahrnehmung nur schwer erfassbar sind, gibt es reichlich Grundlage zur Diskussion. Und natürlich gibt es auch einen großen Streit darüber welche Kompass-Schule „die einzig Wahre“ ist. Um die gleiche Analogie zu benutzen: Hier wird meistens so lange diskutiert, bis man eine Beule am Kopf hat – nur kommt sie meistens nicht von der Wand! (lacht)

Oft wird dabei vergessen dass Feng Shui vor allem prozessorientiert ist. Im Mittelpunkt steht ja das Wohl des Klienten. Somit geht also vor allem darum, welche Kompass-Schule die Realität des Kunden am Besten ausdrückt. Es kann ja nicht sein, dass ich an meinem Berechnungsergebnis festhalte und dem Kunden das passende Problem dazu einrede, so nach dem Motto: „Na jetzt wo Sie´s sagen merke ich auch so langsam, dass ich Eheprobleme habe“. In der Psychologie nennt man so etwas „Übertragung“. Es bedeutet für einen Feng Shui Berater, dass er mit möglichst ruhigem Geist in eine Beratungssituation eintreten sollte. Wenn Sie gerade emotional sehr aufgewühlt sind, sind Sie also in einer denkbar schlechten Verfassung, um eine Feng Shui Beratung durchzuführen.

Um auf die Kompass-Schule zurück zu kommen: natürlich ist hier der Feng Shui Berater im Vorteil, der möglichst viele Schulen beherrscht und damit Alternativen liefern kann. Es kann nämlich sein, dass man eine Weile suchen muss, bis man das System gefunden hat, dass die Realität des Kunden beschreibt. Hier unterscheidet sich auch der „Experte“ vom „Schüler“: Er wird intuitiv auf Anhieb das richtige System zur Berechnung auswählen.

Die Kompass-Schule ist im Allgemeinen sehr komplex in ihren Regeln, auf der anderen Seite ist sie recht simpel in der Anwendung. Die Anwendung endet sehr oft in der Platzierung eines bestimmten Gegenstandes oder Wandlungsphase in einem bestimmten Raumbereich – kein großes Ding also. Es ist eher der erste Dominostein der die Kette der Gestaltung zum Laufen bringt. Ich würde sagen, dass die Kompass-Schule einen irrationalen Ansatz des Feng Shui darstellt der uns vor allem einen analytischen und systematischen Zugang zu unserer eigenen Kreativität liefert. Das Spannende ist, dass wir in der Ausbildung einen sehr großen Teil auf das Erlernen der Kompass-Schule aufwenden. Das zeigt uns, wie weit wir im normalen Leben von unserer eigenen Intuition entfernt sind…

Noch mal, worum geht es bei den verschiedenen „Feng Shui Meistern“?

Was Schulen angeht die sich auf bestimmte „Feng Shui Meister“ oder „Feng Shui Grossmeister“ beziehen: Letztendlich handelt es sich um individuelle Übertragungslinien die sich lediglich in ihrer „Mixtur“ von Form- und Kompass-Schule unterscheiden. Wenn sie die Grundlagen dazu erlernt haben können sie auch ohne weiteres ihre eigene „Feng Shui Übertragungslinie“ eröffnen, solange sie aus den klassischen Zutaten des Feng Shui besteht: Yin&Yang, Yi Jing, Jia Zi, Wu Xing.

Tatsächlich sind in der Vergangenheit viel große Feng Shui Schulen genau so entstanden.

Dieses „Feng Shui Meister“-Ding ist einfach sehr chinesisch. Die Chinesen wissen, dass wir Westler uns dadurch beeindrucken lassen, weil wir letztendlich auch auf der Suche nach spirituellen Inhalten sind und dem Wort „Meister“ in diesem Kontext auch eine spirituelle Komponente anhaftet.

Merkwürdig dabei ist ja nur, dass wir diese spirituelle Erfüllung außerhalb unseres eigenen Kulturkreises suchen, während das Christentum gerade dabei ist sich in den asiatischen Ländern zu verbreiten. Das ist schon fast ein Witz! Überlegen Sie doch mal: Wenn heute ein katholischer Priester einen Ablasshandel betreibt, würden sie ihm zurufen: „Gott ist Tot!“. Und wenn Ihnen jemand erzählt, dass Sie reich werden, wenn Sie sich ein Marzipanschwein mit einem Pfennig im Maul auf den Kamin stellen, würden Sie die Männer mit den weißen Westen rufen.
Aber die Empfehlungen einer chinesischen Feng Shui Meisterin haben dazu geführt, dass die wohlbekannten chinesischen „Dreibeinigen Reichtumskröten“ in den westlichen Ländern alle Verkaufsrekorde gebrochen haben. Reich geworden ist dabei aber nur einer: Die Feng Shui Meisterin die über ihren Internetshop die Kröten verkauft!

Durch den Umweg in einen anderen Kulturkreis retardieren wir also in einen Gemütszustand jenseits der Aufklärung. Das hat natürlich auch seinen Grund: Nach der totalen Rationalisierung unseres Lebens sehnen wir uns endlich mal wieder nach emotionalen Inhalten. Was ja auch vollkommen OK ist, man sollte dabei nur seinen gesunden Menschenverstand nicht über Bord werfen. Die Krönung sind dann die westlichen Menschen, die sich per teures Diplom in 20 oder 30 Ausbildungstagen einen Feng Shui Meister Titel erkaufen.

Mal ernsthaft: In China war jemand ein Feng Shui Meister, weil seine Kunden oder seine Schüler ihn so genannt haben – eine Respektsbezeugung die durch die langjährigen Leistungen eines Menschen und seinen Nutzen für andere bedingt war. In der zeitgenössischen Nutzung des „Meister“-Titel taucht da wohl eher die Leitneurose der heutigen psychologischen Praxis auf: „Narzistische Störung“. Wahre spirituelle Erfüllung sieht für mich anders aus.

Nämlich…

Na ganz einfach: Bescheidenheit, tägliche spirituelle Praxis, Meditation, Arbeiten zum Besten Aller, das Halten der Sichtweise von der Bedingtheit der Welt – und das über Jahre hinweg. Blut und Schweiss und Tränen halt! Leider gibt´s dafür kein Diplom mit einem schicken Stempel das man sich an die Wand hängen kann. Aber es befreit immens. (lacht)

Wie sehen Sie die Zukunft des Feng Shui?

Oh ich sehe das durchaus positiv. Immerhin hat uns Feng Shui eine Menge zu bieten. Es ist einfach ein sehr pfiffiges Instrument, um unsere Intuition und unsere Kreativität zu stimulieren. Gerade im Gestaltungsprozess ist es unglaublich wertvoll.

Das ist ja immer das Dilemma: Als ich meiner Ausbildung zum Mediendesigner meine Lehrer gefragt habe woher sie ihre Ideen haben, kamen immer keine konkreten Antworten. Das war immer so was wie: „Das musst Du halt irgendwie aus Dir raus ziehen!“.

Niemand hatte wirklich einen systematischen Ansatz, um in diesen kreativen Zustand einzutreten. Genau das kann uns Feng Shui aber vermitteln. Und vieles mehr!

Immerhin hat Feng Shui die Jahrtausende überdauert, es muss also irgend etwas nützliches dran sein – sonst wäre es längst in Vergessenheit geraten. Das bedeutet für uns als westlich aufgeklärte Menschen, dass wir Feng Shui auf den Prüfstand stellen müssen, seine Funktionsweise verstehen und aussortieren müssen, was wirklich anwendbar und was wirklich reiner Aberglaube ist.

Ich denke dass Feng Shui hier einen ähnlichen Prozess vor sich hat wie zum Beispiel die Akupunktur in den 50er Jahren. Es hat über 40 Jahre gedauert bis eine Krankenkasse einen Modellversuch zur Behandlung von Rückenleiden mit Akupunktur zugelassen hat und feststand das Akupunktur kein Allheilmittel ist.

Das Gute daran ist, dass in der Zwischenzeit viele „Qi-Wissenschaften“ wie Tai Qi, Qi Gong, chinesische Diätetik, Kung Fu im westlichen Kulturraum „verdaut“ wurden, so dass es mit Feng Shui wohl ein bisschen schneller gehen wird. Der entscheidende Punkt ist, dass Feng Shui endlich auch an akademischen Fakultäten diskutiert werden muss, damit wir endlich an Quellenmaterial kommen und endlich die Spreu vom Weizen trennen können.

Lassen Sie uns etwas über Feng Shui Berater Ausbildungen reden. Es gibt ja wohl keine gesetzlich festgelegten Standards, jeder kann machen was er will. Wer ist also der beste Feng Shui Berater und wo ist die beste Feng Shui Schule?

Natürlich sind wir die Besten! (lacht) Nein, ich glaube niemand sollte von sich behaupten, dass er der beste Feng Shui Berater ist oder die beste Feng Shui Schule hat! Das ist doch Humbug (schüttelt den Kopf).

Ja, ich weiss auch nicht warum jeder immer der Beste sein will…ist so etwas überhaupt möglich? Der beste Feng Shui Berater zu sein, die beste Feng Shui Schule zu sein? Das fühlt sich nicht gut an. Wenn ich das anstreben würde, stände ich ja in ständiger Konkurrenz zu allen anderen. Das macht auf Dauer ganz schön einsam, oder? Ist es nicht viel edler das Potential, das in uns schlummert so vollständig wie möglich zu entwicklen? Zu versuchen, das Beste aus sich heraus zu holen? Seine Begabungen und Fähigkeiten so weit wie möglich zu entwickeln?

Das führt dazu, dass jeder ein toller Berater ist und jede Schule sehr gut ist. Sie sind nur vollständig unterschiedlich, weil jeder andere Begabungen hat! Ich denke jeder Schüler sollte den Lehrer finden der zu ihm passt, und jeder Kunde sollte den Feng Shui Berater finden der zu ihm passt. Das ist ein viel angenehmerer Gedanke.

Angemessenheit! Jeder Schüler hat bestimmte Anforderungen an seinen Lehrer, das ist sehr individuell. Man sucht einen Lehrer und hört vielleicht von einem Freund: „Ich habe da jemanden getroffen, der ist wirklich ein toller Feng Shui Lehrer!“ also geht man selbst auch zu diesem Feng Shui Lehrer, stellt aber fest, dass man gar nicht zusammen passt. Und das kann vollkommen unabhängig von der Qualität des Lehrers sein. Es gibt einfach Leute die uns nichts beibringen können. Denken Sie an Ihre Schulzeit. Sie konnten am besten lernen, wenn Sie einen Lehrer mochten, war es nicht so?
Wie oft passiert einem so etwas im Leben…ich denke viel wichtiger ist doch dass man zusammen passt. Wir hören viel zu oft auf unseren Kopf. Wir denken weil etwas teuer ist wäre es gut, weil es ein Anderer hat und wir es nicht haben können ist es gut, es ist gut weil es unerreichbar ist, puhh… jede Menge Konzepte.

Aber sind ratioanle Entscheidungen nicht ungeheuer wichtig?

(schüttelt den Kopf) Wir sollten manchmal weniger auf unseren Kopf hören und mehr auf unser Herz. Man sieht nur mit dem Herzen gut, wissen Sie? Es ist unmöglich bestimmte Entscheidungen aus dem Kopf heraus zu fällen.

Denken Sie mal darüber nach, wo Sie gerne Ihren nächsten Urlaub verbringen möchten. Es gibt keine Möglichkeit diese Entscheidung rational zu fällen. Diese Entscheidung kommt aus dem Herzen. Sie ist von Begeisterung getragen, von Vorfreude. Erst im zweiten Schritt kann ich rational entscheiden, dass der Flug zu teuer ist oder ich keine Urlaubstage mehr habe. Das hat dann eher etwas mit den Prioritäten zu tun die ich selbst im Leben setze. Vielleicht ist ja mein Job oder meine Beziehung ja dann doch wichtiger als das Urlaubsziel. (grinst)

Aber das Reiseziel selbst, wie wollen Sie das machen? Alle Länder der Erde alphabetisch auflisten und bei „A“ anfangen? Was wäre, wenn Sie in die Antarktis fahren müßten, aber lieber am Strand liegen? Sehen Sie, das geht nicht mit dem Kopf. Trotzdem entscheiden wir uns immer wieder dafür unserem Kopf mehr zu vertrauen als unserem Herzen. Und wissen Sie was? Jedes mal wenn ich selbst gegen die Stimme meines Herzens gehandelt habe und dieser Stimme in meinem Kopf gefolgt bin ist es gnadenlos schiefgegangen. Irgendetwas total Unvorhergesehenes ist passiert und hat mir bewiesen dass mein Gefühl richtig war. Deshalb versuche ich so weit wie möglich meinem Herzen zu vertrauen. Um auf die Urlaubsreise zurück zu kommen: Das Herz sagt: „Fahr zum Klettern nach Sardinien“ und der Kopf bekommt die Aufgabe das umzusetzen. Das kann er nämlich am besten.

In Urlaub fahren tue ich ja auch gerne, aber was ist jetzt mit der Feng Shui Ausbildung?

Genau so würde ich auch bei einer Feng Shui Ausbildung vorgehen. Ich würde mir alle Lehrer anschauen die ich erreichen kann. Prüfen sie den Lehrer! Schauen Sie nach ob er Wasser predigt und Wein trinkt! Wo ist der Dozent ausgebildet worden, was hat er gemacht, welche praktische Erfahrung hat er, liegt Ihnen sein Unterrichtsstil? Und dann lassen Sie Ihr Herz entscheiden.

Räumliche Distanzen sind in Zeiten von EasyJet und Co. doch kein Problem mehr! Und Geld: na ja, bei Geld weiss man das nie so richtig. Mal ist es da, mal ist wieder weg. Aber für die wichtigen Dinge war es doch immer da, oder? Ich denke das liegt daran, daß wir uns irgendwann sehr fest für etwas entscheiden und dann entsprechende Prioritäten setzen.

Darüber hinaus: Wenn ich an unsere eigene Ausbildung denke, ist in meinen Augen das Geld das kleinste Problem. Das klingt jetzt überheblich, ich weiss, das soll es aber gar nicht sein. Ich sehe das Ganze nur aus einer anderen Perspektive: Ich sehe vor allem die Zeit, die ein Schüler in diese Ausbildung investiert. Gut da ist dieses eine Ausbildungswochenende pro Monat. Aber was ist das schon? Wenn Sie wirklich gut werden wollen, müssen Sie zwischen diesen Terminen richtig hart arbeiten. Das fängt damit an, daß Sie das Script spätestens 4 Tage nach dem Wochenende wieder in die Hand nehmen und es komplett nacharbeiten sollten. Es gibt endlose Literaturlisten. Hausaufgaben. Coachingtermine bei denen wir die ersten Fälle der Schüler durcharbeiten. In dem Moment in dem sich ein Schüler für unsere Ausbildung entschließt wird ein großer Teil seiner Freizeit in diese Aktivität fließen und das alles neben seiner beruflichen Tätigkeit.

Die Kosten der Ausbildung sind also marginal im Vergleich mit dem Raum den dieses Thema auf einmal in seinem Leben einnimmt. Daher sollte er sich nicht vorrangig an finanziellen Kriterien orientieren. Er muß vor allem mit dem Lehrer den er sich aussucht gut klarkommen, denn sonst wird er in diesem Jahr nicht sehr viel Spaß haben. Das ist wirklich eine sehr ernste Entscheidung. Was das Geld angeht findet man eigentlich immer eine Lösung, das ist meine Erfahrung.

Trotzdem: was würden Sie jemanden sagen, der behauptet „die Beste Feng Shui Schule“ zu führen oder „der beste Feng Shui Berater“ zu sein?

Gar nichts. Ich würde da keine Notwendigkeit zum Handeln sehen. Ich würde ihn eher bedauern. Denn wer von sich behauptet die beste Feng Shui Schule Deutschlands, oder vielleicht gleich der ganzen Welt zu haben, hat vor allem ein riesiges Problem: Unglaublich stolze Schüler! Ich will gar nicht wissen wie dieser arme Mensch rennen muss, um dem Stolz seiner Schüler ständig genug Futter zu geben. Unglaublich anstrengend! Und man muß immer beweisen, dass man selbst besser ist, was für ein Horror. Das will ich doch gar nicht. Im Gegenteil! Ich will, dass meine Schüler besser werden als ich! (lacht)

Sehen Sie Stolz ist eine Emotion, die uns sehr stark von unserem Umfeld abtrennt. Das ist in meinen Augen auch sehr kontraproduktiv im Bezug auf das Thema Feng Shui. Wir versuchen ja, uns mit dem Umfeld zu verbinden, es durch uns fließen zu lassen und möglichst unverfälscht wahrzunehmen. Das ist ja genau das Gegenteil von Stolz. Wenn ich stolz bin, dann versuche ich immer besser als die anderen zu sein. Ich bin damit in einer ständigen Bewertung gefangen, das Hamsterlaufrad im Kopf steht nicht mehr still und es gibt keine unbeteiligte Wahrnehmung mehr. Und damit bin ich ständig in schlechter Gesellschaft (lacht), was für ein armseliges Leben! Ich würde eher einen Ansatz wählen wie: Sind wir nicht alle toll! Schaut uns an, was wir gemeinsam auf die Beine gestellt haben! Es macht viel mehr Sinn über die eigenen Qualitäten zu reden um anderen Menschen zu zeigen wie wir ihnen nutzen können. Also nicht in der Form von Worten und Prahlerei, sondern über sinnvolles Handeln.

Na gut was sind dann Ihre Qualitäten in Bezug auf Feng Shui?

(lacht)Finden Sie es heraus! Nein im Ernst, Sie haben wahrscheinlich eine viel objektivere Sicht auf meine Person als ich selbst. Sie sollten diese Frage eigentlich beantworten!

Nun gut, wo würden denn Andere Ihre Qualitäten sehen?

Ich seh´ schon ich komme aus der Frage nicht raus. Ich denke die Qualität die wir in unserer Schule fördern möchten sind vor allem den Aberglauben und die Oberflächlichkeit aus dem Thema Feng Shui zu exorzieren. Wir versuchen die Hintergründe aufzuzeigen und die Anwendbarkeit der Feng Shui Theorien für einen westlich aufgeklärten Menschen darzustellen. Wir arbeiten daher sehr nah am Menschen. Wenn wir eine Möblierungslösung, eine Grundrissplanung oder eine Innenraumgestaltung vorschlagen berücksichtigen wir sehr stark an welchem Punkt der Mensch in seinem Leben steht. Wir sorgen dafür, dass der Raum den Menschen an dieser Stelle seines Lebens, bei dem was er vor hat so gut wie möglich unterstützt.

Herr Fischer, wir danken für dieses Gespräch.