Klassiker der fliegenden Sterne II

Die "Geister" des Qian Yunyan

Shen Zhureng ist es zu verdanken, dass das System der fliegenden Sterne heutzutage so bekannt ist. Unter großem persönlichem Einsatz gelang es ihm 1873, die Texte des Feng Shui-Meisters Zhang Zhongshan (章仲山) zusammenzutragen und zu entschlüsseln.

Fallstudie aus Shenshi xuankongxue
In diesem Artikel präsentiere ich Ihnen eine kommentierte Übersetzung einer Fallstudie für die Interpretation der fliegenden Sterne aus Shen Zhurengs (沈竹仍) Werk „Shenshi xuankongxue“ (沈 氏玄空学 Die Lehre des Xuankong der Familie Shen). Bislang wurde das Wissen um die fliegenden Sterne streng geheimgehalten, doch 1927 wurde nach dem Tod Shen Zhurengs erstmals eine vollständige Lehre durch seinen Sohn Shen Zumian unter dem Titel „Shenshi xuankongxue“ veröffentlicht. Neben ausführlichen Erklärungen zum System der fliegenden Sterne beinhaltet das Werk zwei Kapitel mit Fallstudien des Feng Shui- Meisters Zhang Zhongshan mit Beispielen für die Analyse von insgesamt 17 Wohnhäusern und 54 Grabstätten.

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Die Geistererscheinung auf dem Anwesen des Qian Yunyan (钱韫岩), erbaut in der siebten Periode mit Sitz im Norden (Zi 子) und Blick nach Süden (Wu 午)
In dieser Fallstudie erläutert Zhang Zhongshan seine Vorgehensweise bei der Analyse des Anwesens eines seiner Schüler, Qian Yunyan. Es handelt sich hier um ein Anwesen auf dem Hochland, auf dessen Rückseite parallel ein Fluss verläuft, der auf beiden Ufern direkt hinter dem Haus von Bäumen der Art „japanischer Schnurbaum“ gesäumt ist.
Das Grundmuster der fliegenden Sterne dieses Hauses nennt sich „doppelte Sterne im Sitz“, denn Berg- und Wasserstern der Erbauungsperiode sieben sind jeweils im Sitz-Palast Kan zu finden. Die Hinterseite, also der Sitz des Hauses wird durch Bäume unterstützt und sorgt für eine Resonanz mit dem Bergstern, während der Wasserstern gleichzeitig durch den Fluss aktiviert wird. Somit ist potenziell für Gesundheit und Wohlstand für die Bewohner gesorgt.
Die Wassersterne in den Palästen Qian und Gen besitzen beide eine unzeitgemäße und somit schädliche Qualität und zusätzlich finden wir in der Nordflanke ausschließlich Sterne, die Yin- Trigrammen zugeordnet werden (2-Kun, 7-Dui, 9-Li) und die ungünstige Konstellation „Anhäufung von Yin-Essenz“ (Yinshen mandi chengqun 阴神满地成群) erzeugen. Hier gibt es ein Übermaß an Yin, das durch den weitgehend dunklen Charakter dieses Bereichs noch betont wird.

Die Bewohner dieses Hauses bemerkten regelmäßige, nachmittägliche „Geistererscheinungen“ in Gestalt einer grün gekleideten Frau. Erklärt wurde dies anhand der fliegenden Sterne: Im Gen-Palast steht die „gelbe fünf“ als Wasserstern, der vom Fluss aktiviert wird und für Geistererscheinungen sorgen kann. Die „gelbe fünf“ steht für den fünften der neun Sterne, Lianzhen 廉贞, und besitzt im System der fliegenden Sterne (Sanyuan 三元) die Wandlungsphase Erde. Im Sanhe 三合 besitzt dieser Stern jedoch die Wandlungsphase Feuer und ist eng mit dem Auftreten der Qi-Qualität Wugui (五鬼, fünf Geister) verbunden, die vor allem aus dem System des Bazhai 八宅 bekannt ist. Die Interpretation der fliegenden Sterne im hinteren Sektor des Hauses fußt also auch auf die Verbindung der „gelben Fünf“ mit den „fünf Geistern“.
Zhang Zhongshan gibt an, der Geist wurde jeweils zur chinesischen Doppelstunde Shen 申 (15:00 Uhr bis 17:00 Uhr) gesichtet, was er dadurch erklärt, dass Shen eine Yin-Doppelstunde sei. Doch dies scheint entweder ein Fehler im Text oder in Zhangs Argumentation zu sein, denn Shen besitzt eigentlich eine Yang-Polarität. Die auf Shen folgende Doppelstunde You 酉 (17:00 Uhr bis 19:00 Uhr) besitzt dagegen eine Yin-Polarität und teilt sich gleichzeitig die Wandlungsphase Metall mit Shen.

Zhang Zhongshan erklärt letztlich diesen Geist als Effekt natürlicher Lichtverhältnisse in diesem Sektor mit den besonderen Einflüssen der Trigramme (Gua Qi). Das Sonnenlicht wird vom Fluss durch die Bäume auf das Grundstück reflektiert, was zu einer bestimmten Tageszeit, abhängig vom Lichteinfall zu unheimlichen, grünlichen Lichtspielen führt. Zhang riet dem Hausherrn, zu Beginn der nächsten Periode einen weiteren Eingang im Bereich Wei (未, Südwesten) zu öffnen. Nach Befolgung dieses Rates wurde der Geist nicht mehr gesichtet. Eine Erklärung hierfür ist die Aktivierung des zeitgemäßen Wassersterns acht im Südwesten, denn die Feng Shui-Klassiker der fliegenden Sterne sind sich darin einig, dass „ein edler Stern an der Macht“ (Yi gui dangquan 一贵当权) alle ungünstigen Einflüsse ausgleicht. Die ungünstigen Sterne der Nordflanke können ihr Potenzial nicht mehr entfalten und es entsteht eine größere Harmonie zwischen Yin und Yang auf dem Grundstück.

Quellen:
Shen, Zhureng (2005): Shenshi xuankongxue [Die Lehre des Xuankong der Familie Shen]. Zhengzhou: Zhongzhou guji chubanshe.
Shen, Zhureng & Zheng Yi (Hg.)(2010): Tujie shenshi xuankongxue [Die illustrierte Lehre des Xuankong der Familie Shen]. Shaanxi: Shanxi shifandaxue chubanshe

Dieser Artikel wurde verfasst von: Danusch Felix Niakamal
 B.A. Japanologie & Sinologie
 Feng Shui-Berater info@yifengshui.de http://www.yifengshui.de

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Xuankong 玄空 wird oft als „mysteriöse Leere“ übersetzt, tatsächlich steht der Begriff aber für „Zeit und Raum“. Xuankong feixing 玄空飞星, das System der fliegenden Sterne beschäftigt sich mit der Analyse von Qi- Mustern, die dem Einfluss von bestimmten wechselnden Zeitperioden unterliegen.