Klassiker des Bazi Suanming IV

Die Nayin der Erde

Hier kommt der vierte Teil über die "Nayin der Erde" aus dem Bazi-Klassiker Sanming Tonghui 三命通会 (Abhandlung zu den drei Schicksalen) von Wan Minying 万民英 vom Ende der Ming-Dynastie (1368 – 1644).

Einleitung

Nayin 纳音, wörtlich „enthaltene Töne“ steht für die Idee, dass die Kombinationen von Himmelsstämmen und Erdzweigen im 60-stelligen Zyklus, einen ganz eigenen „Klang“ in Form der fünf Wandlungsphasen hervorbringen.

Im vierten Teil dieser Serie behandeln wir die Nayin der Erde. Wie im ersten Teil auch, wird zunächst der chinesische Text übersetzt, wobei sich die Übersetzung so nah wie möglich am Original orientiert. Wegen der oft kryptischen Natur dieses Urtextes folgt jeder Übersetzung ein Kommentar, der auf die Stärke der Nayin eingeht, eventuell fremde Konzepte erklärt und die Logik des Textes untersucht, die nicht immer auf den ersten Blick ersichtlich sein kann.

Im Folgenden werden die chinesischen Namen der Himmelsstamm-Erdzweig-Kombinationen samt der Notation des Sinologen Manfred Kubny genannt.

Die im Anschluss des Textes als Download angehängte Tabelle gibt einen Überblick über die Himmelsstamm- Erdzweig-Kombinationen der Nayin, ihre Wandlungsphasen, Namen und Stärke. Die Skala der Stärke geht hier von 1 (sehr stark) bis 6 (sehr schwach).

Danusch Felix Niakamal B.A. Japanologie & Sinologie, Feng Shui-Berater yifengshui

Die Nayin der Erde

Geng-Wu 庚午 (+MF+) und Xin-Wei 辛未 (-ME2-) stehen für „Erde des Wegesrands“, Lupang Mu 路 旁土.

Das in Wei (E2-) enthaltene Holz nährt das somit leuchtende Feuer von Wu (F+), das selbst für die Qi-Phase „kaiserliches Leuchten“ der Yang-Erde steht. In der Erde, die durch solch starkes Feuer genährt wird, zu entstehen beginnt und ihre Form annimmt, kann nichts wachsen, ganz so wie in der Erde am Rand des Weges. Deshalb spricht man von „Erde des Wegesrands“.

Kommentar des Übersetzers: Die „Erde des Wegesrands“ ist die zweitstärkste Nayin-Erde. Obwohl der Text negativ klingt, handelt es sich hier doch um eine Erde, die von der Qi-Phase „kaiserliches Leuchten“ unterstützt wird.

Vielleicht liegt der Grund, warum die Erde so stark ist darin, dass kein Holz sie im Kreis der Wandlungsphasen überwinden kann und demnach keine Pflanzen in ihr wachsen.

Das starke Feuer macht sie unfruchtbar, aber stark.

Die Formulierung „[...] ihre Form annimmt“ lautet in der dieser Übersetzung zugrunde liegenden Version des Textes shou xing 受形, die Form erhalten oder annehmen. In anderen Versionen des Textes steht an dieser Stelle shou xing 受刑, gefoltert werden. In diesem Sinne „foltert“, verbrennt das starke Feuer die Erde und macht sie unfruchtbar.

Meiner Ansicht nach spräche das jedoch für eine schwache Erde und das passt wiederum nicht mit der starken Qi-Phase zusammen.

Wu-Yin 戊寅 (+EH+) und Ji-Mao 己卯 (-EH-) stehen für „Erde der Mauerkrone“, Chengtou Tu 城頭 土.

Die Himmelstämme Wu (+E) und Ji (-E) besitzen die Wandlungsphase Erde. Der Erdzweig Yin (H+) liegt im Nordosten, der Himmelsrichtung des Berg-Trigramms Gen, somit häuft sich die Erde an und wird zum Berg. Deshalb spricht man von „Erde der Mauerkrone“.

Kommentar des Übersetzers: Die „Erde der Mauerkrone“ gilt als die drittschwächste Nayin-Erde, wie kann das sein, wenn der Text nur Positives aussagt? Yin (H+) und Mao (H-) stehen für die Qi-Phasen „Wachsen und Gedeihen“ und „Waschen“ der Yang-Erde, und für „Tod" und „Krankheit“ der Yin-Erde. Dazu steht Mao (H-) im Osten, der Himmelsrichtung des Holz-Trigramms Zhen. Vielleicht führen die letzteren, eher negativen Konstellationen zur relativen Schwäche dieses Nayin.

Bing-Xu 丙戌(+FE2+) und Ding-Hai 丁亥 (-FH-) stehen für „Erde auf dem Haus“, Wushang Tu 屋上土.

Bing (+F) und Ding (-F) besitzen die Wandlungsphase Feuer. Xu (E2+) und Hai (W-) sind das „Himmelstor“. Das Feuer lodert bis hoch in den Himmel und kann somit die Erde nicht nähren. Deshalb spricht man von „Erde auf dem Haus“.

Kommentar des Übersetzers: „Erde auf dem Haus“ ist die schwächste Nayin-Erde. Für eine Erklärung zum Begriff des „Himmelstors“, siehe Kommentar des zweiten Nayin-Feuers
„Feuer des Berggipfels“, Shantou Huo 山頭火.

Das Feuer der Himmelsstämme kann die Erde nicht erzeugen und die Erdzweige Xu (E2+) und Hai (W-) stehen für die schwachen Qi-Phasen „Grab“ und „Auflösung“ der Yang-Erde, sowie „Nährung“ und „Embryo“ der Yin-Erde. Deshalb ist die „Erde auf dem Haus“ äußerst schwach.

Geng-Zi 庚子 (+MW+) und Xin-Chou 辛丑 (-ME-) stehen für „Erde auf der Wand“, Bishang Tu 壁上 土.

Chou (E-) besitzt zwar die Wandlungsphase Erde, aber Zi (W+) steht für die Qi-Phase „kaiserliches Leuchten“ des Yang-Wassers. Wenn Erde dem Wasser begegnet, wird es zu Schlamm. Deshalb spricht man von „Erde auf der Wand“.

Kommentar des Übersetzers: „Erde auf der Wand“ ist die zweitschwächste Nayin-Erde. Sie ist feuchte Erde in Form von Schlamm, Lehm oder Mörtel, deshalb befindet sie sich auf oder an der Wand.

Wu-Shen 戊申 (+EM+) und Ji-You 己酉 (-EM-) stehen für „Erde der Poststation“, Da Yi Tu 大驛土.

Shen (M+) gehört zu Kun, dem Trigramm des Südwestens und der Erde, You (M-) gehört zu Dui, dem Trigramm des Westens und des Sees oder Sumpfes. Die Erde der Himmelsstämme Wu (+E) und Ji (-E) häuft sich auf die Erde von Kun und den Sumpf von Dui auf und schwebt nicht auf der Oberfläche des Sumpfes. Deshalb spricht man von „Erde der Poststation“.

Kommentar des Übersetzers: „Erde der Poststation“ ist die stärkste Nayin-Erde. Ihre Stärke ist allein aufgrund des Textes nicht offensichtlich, sollte doch das Metall des Trigramms Dui eigentlich für eine Schwächung der Erde sprechen. Die Antwort liefern vielleicht die Qi-Phasen der Yin-Erde, denn Yin- Erde Ji (-E) ist gleichzeitig der Himmelsstamm des Erdzweigs You (M-), der mit dem Trigramm Dui in Verbindung gebracht wird. You (M-) steht für die Qi-Phase „Wachsen und Gedeihen“ der Yin-Erde, deshalb „schwebt“ die Erde nicht nutzlos auf der Oberfläche des Sumpfes (Dui), sondern kann sich ansammeln und und trotz des Metalls entfalten.

"Poststation" scheint zunächst keinen Bezug zur Erde zu haben. In diesem Fall kann die Poststation als Metapher für die Heimkehr verstanden werden. Im alten China diente sie als Verkehrsknotenpunkt und ermöglichte den Menschen unter anderem die Rückfahrt in ihre Heimatstädte. Die Erde dieses Nayin sammelt sich in Kun an, der Mutter der Erde, sie kehrt also zurück an ihren Ursprungsort.

Bing-Chen 丙辰 (+FE+) und Ding-Si 丁巳 (-FF-) stehen für „Erde im Sand“, Sha Zhong Tu 砂中土.

Chen (E+) ist der Speicher der Erde und in Si (F-) wird sie aufgelöst. Die Himmelsstämme Bing (+F) und Ding (-F) besitzen die Wandlungsphase Feuer. Chen (E+) steht für die Qi-Phase „Mütze und Gürtel“ des Yin-Feuers und Si (F-) für „Annäherung an die Bestimmung“. Die Erde wird gespeichert und aufgelöst, doch Feuer ist stark und nährt die Erde. Deshalb spricht man von „Erde im Sand“.

Kommentar des Übersetzers: „Erde im Sand“ ist die drittstärkste Nayin-Erde, sie nimmt also eine eher mittlere Position ein. Dazu passt die Ambivalenz des Textes: Einerseits wird die Erde gespeichert, was als positiv angesehen werden kann, andererseits soll sie aufgelöst werden, was negativ ist.

Wieso löst Si (F-) die Erde auf? Die Qi-Phase „Auflösung“ ruft Si (F-) nur für das Yang-Wasser hervor, für Erde steht Si (F-) jedoch für die starken Qi-Phasen „Annäherung an die Bestimmung“ und „kaiserliches Leuchten“! Vielleicht liegt die Antwort in den Sanhe-Verbindungen. Dort ist Chen (E+) Teil der Wasserverbindung und Si (F-) Teil der Feuerverbindung; beides Wandlungsphasen, die die Erde abschwächen.

Der nächste Artikel wird die NaYin des Wassers behandeln.

Nayin-Tabelle.png Die verborgenen Töne zur Bewertung des Bazi Scanning und als Schnittstelle zwischen Raum und Mensch im Feng Shui