Dürfen Feng-Shui-Berater krank werden?

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Spätestens wenn Du über Wasser gehen kannst, darfst Du nicht mehr krank werden. Wenn Du einfach nur Haare schneiden kannst, schon. Ein Plädoyer für die Normalität. 

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Ok, das neue Jahr hat bei mir so angefangen wie das letzte aufgehört hat: bettlägrig  krank. Und bevor ich jetzt eine Arie des Selbstmitleids verfalle: Egal! Weil ich fand´s eigentlich ganz witzig! Ehrlich mal: ein Schulterbruch ist dank Novalgin nicht so schlimm und wer im Fieberwahn liegt braucht eh´ keine Drogen mehr… :-b

Trotzdem bekam ich wohlgemeinte „Rat-Schläge“ wie: „Na(!) jetzt schau mal was das bedeutet!“ oder „Wasn? Ich dachte Du wirst nicht mehr krank?“. Und nachdem diese Worte mir merkwürdig bekannt klangen, zieh´ ich mir den Schuh jetzt mal an.

Ganz ehrlich: Ich bin von Kindheit an von Krankheiten geplagt. In meiner eigenen Wahrnehmung habe ich die labilste Gesundheit der Welt, mit meinen HNO-Problemen hätte ich schon im zarten Alter von 12 Jahren ein ganzes Altersheim unterhalten können, sobald eine Grippe-Welle umgeht will ich umbedingt dabei sein - „neueste Mode“ sozusagen.

Doch im Ernst: meine Fragilität kotzt mich an. Kein Wunder habe ich schon alles versucht, um meine Krankheiten loszuwerden. In meiner Jugend entschied ich, dass ein bestimmter Teil von mir ab sofort nicht mehr zu mir zu gehören hätte. Wenn es mich dann doch erwischt hatte, ging ich halt zum Arzt und ließ mich retten; Codein, Betablocker und Antibiotika lassen grüßen. Frei nach Hoffmann: „Chemistry Works!“. Hauptsache: „Ich kann so bleiben wie ich bin“. Was mir dann mittelfristig diverse chronische Erkrankungen beschert hat.

Nachdem die Schulmedizin „versagt“ hatte, wendete ich mich verschiedenen Naturheilverfahren wie Homöopathie, TCM, Akupunktur und QiGong zu. Leider drohte hier die eigentliche Erkenntnis: und ich war gezwungen, Verantwortung für mein eigenes Verhalten zu übernehmen.

Ich schreibe hier ganz bewußt von Verantwortung und nicht von Schuld. Wenn ich z.B. auf Grund meiner körperlichen Konstitution anfällig für Erkältungskrankheiten bin, trifft mich hierfür keine Schuld. Trotzdem muss ich Verantwortung für meinen Körper übernehmen und dafür sorgen, dass ich meinen Körper entsprechend pflege und schütze. Genauso wenig, wie einen Krebskranken irgendeine Schuld an seinem Tumor trifft (außer er ist Kettenraucher). Trotzdem (oder gerade dann) muss er sich irgendwie zu seiner Krankheit verhalten. Denn nur so ist Veränderung möglich.

Der sorgsame Umgang mit mir selbst und meinen körperlichen Grenzen (na gut mit denen hadere ich immer noch…) führte mich dann langsam in eine stabilere gesundheitliche Situation. „Krankheit“ war nicht mehr ein Problem, für das eine Lösung her musste, sondern das Erkennen von lebendigen Prozessen. Die „Lösung“ ist einfach ein fließenderer Umgang mit dem, was wir so gerne als „Problem“ bezeichnen: mit den Widerständen gegenüber dem, was wir gerne als „Realität“ wahrnehmen.

Für mich ist das, wie der Unterschied zwischen „Esoterik“ und „Mystik“. Der Esoteriker glaubt, er könnte durch eine bestimmte Technik sein Problem lösen. Wenn ich nur das richtige Mantra verwende, kriege ich was ich will, mit der richtigen Meditation verschwindet die Krankheit. Instant Magic. „Wenn ich das richtige Mittel für den richtigen Zweck finde, muss ich mich nicht verändern“.

Der Mystiker hingegen versteht, das jede Form von „Technik“ nur die schonungslose Konfrontation mit uns selbst ermöglichen kann. Das ist auch genau das, was in einem Initiationsritus passieren soll: die Konfrontation mit dem Tod. Dieser Moment in dem wir unsere größten Ängste hinter uns lassen und: Überleben! …na ja, das zeitlose Bewußtsein unseres Geistes sowieso. Was unseren Körper angeht kann so ein Initiationsritual auch ganz schön schief gehen. Doch es ist genau diese bedingungslose Konfrontation auf Leben und Tod, die uns die Kostbarkeit des Lebens vor Augen führt, uns zeigt wer wir wirklich sind, unseren Weg auf dieser Erde aufzeigt. Einen Beruf auszuüben trotz der Gefahren die mit ihm verbunden sind, ist es nicht genau das, was erzählt wer wir sind? Doch dazu muss ein Teil von uns, unserer „Ich-Vorstellung“ sterben…

Das ist so ein bißchen wie die Aktivierung der „Reichtums-Ecke“ im Feng Shui. Wenn ich glaube, dass der Brunnen in der richtigen Ecke den Unterschied macht, dann freue ich mich vielleicht über eine Steuerrückzahlung die mir unvermutet ins Haus flattert, habe mein eigentliches Problem aber nicht geknackt. Verwende ich die Reichtums-Ecke jedoch dazu mich mit mir selbst zu konfrontieren,  kann ich aus mir selbst heraus eine neue Welt erzeugen.  Weil ich zulasse, das der Teil von mir, der das „Problem“ erzeugt, gehen darf.

Was mich zurück zum Thema Krankheit bringt: jeder von uns hat einen kostbaren Körper. Und: wer einen Körper hat, der kann auch jederzeit eine Krankheit oder einen Unfall erleiden. Sogar der Buddha selbst starb an einem Abendessen, dass wohl etwas zu lange im „Kühlschrank“ gestanden hatte. Mit anderen Worten: was uns widerfährt können wir zumindest nach dem es uns passiert ist, nicht beeinflussen. Wie wir damit umgehen schon. Der Wunsch oder die Aussage „ICH werde nicht mehr krank“ ist damit reine Hybris. Sie beschreibt die völlige Erstarrung, den Versuch den Prozess des Lebendigen an einem von uns bestimmten Punkt anzuhalten. Und was nicht mehr flexibel ist, das bricht.

Daher plädiere ich an dieser Stelle für einen liebevollen Umgang mit uns selbst und unseren Schwächen. Eine Krankheit oder ein Krankenhausaufenthalt ist vielleicht nicht immer das, was wir uns für uns selbst wünschen, kann aber genau die Atempause ermöglichen oder den Abstand geben den wir gerade brauchen. Was den wirklichen Unterschied macht, ist diese Zeit so bewußt wie möglich zu nutzen.