Wen Tzu

Die Offenbarung der Mysterien

Dieser Text wird der Zhou Dynastie zugeordnet, die in den Holocaust der "Streitenden Reiche" führte. Er bespricht die Anforderungen und Probleme eines Zeitalters des Übergangs und der Unsicherheit. Mit anderen Worten: er ist heute so aktuell wie eh und jeh.

Der Text des Wen-Tzu ("Schriftzeichen"), der auch oft den Untertitel "Die Offenbarung der Mysterien" trägt, wird Lao-tse zugeschrieben. Unsere heutiges Verständnis von Lao-tse schwankt zwischen einem realen Author und einer esoterischen Bruderschaft mit mehreren Meistern und Schülern - ähnlich eines Druidenkreises. Der Sage nach gab Lao-Tse jedem seiner Schüler eine Sammlung daoistischer Texte, von dem eines das Wen-Tzu ist.

Der Autor des Wen-Tzu soll König Ping der Zhou Dynastie beraten haben, der im 8.Jh. vor Christi lebte, wobei diese Zuordnung rein symbolischer Natur ist. Während der Herrschaft von König Ping brach die Zhou Dynastie immer weiter auseinander und verlor immer weiter ihren Zusammenhalt. Nach der Herrschaft von König Ping fingen seine Vasallen an sich gegenseitig zu bekämpfen und um die Vorherrschaft zu streiten, was im Holocaust der streitenden Reiche enden sollte.

Die symbolische Datierung dieses Textes in diesem Zeitraum verweist somit darauf, dass der Text die Anforderungen und Probleme eines Zeitalters des Übergangs und der Unsicherheit bespricht.

Mit Feng Shui hat der Text meiner Ansicht nach von daher zu tun, da er die daoistischen Prinzipien, die ja eine der Grundlagen des Feng Shui darstellen, in einer zeitgemäßen Form darstellt. Gerade in der heutigen Weltwirtschaftskrise, der ungezügelten Gier der Banken und weltweit operierenden Konzerne sowie dem islamistischen Terror und einer immer ratloseren Position der nationalen Regierungen ist dieser Text somit so aktuell wie eh und jeh....

Mangels der Fähigkeit den Text im chinesischen Orginal lesen zu können übersetze ich diesen Text aus dem Englischen in der Version von Thomas Cleary. Der gesamte Text besteht aus 180 Abschnitten unterschiedlicher Länge die sprachlich recht anspruchsvoll sind. Das gesamte Projekt ist eine Art "Hobby" von mir, ich werde den Text Stück für Stück ergänzen wie es mein Zeitplan erlaubt. Falls Ihr Verbesserungsvorschläge habt oder ortografische Fehler findet bin ich über eine kurze Mitteilung über unser Kontaktformular sehr dankbar.

Wen-Tzu 1

Es gibt etwas, ein unteilbares Ganzes, das vor Himmel und Erde geboren wurde. Es hat nur abstrakte Entsprechungen, keine konkrete Form. Es ist tief, dunkel, still und undefiniert. Wir können seine Stimme nicht vernehmen. Um ihm einen Namen zu geben, nenne ich es das DAO.

Das Dao ist unendlich hoch, unmeßbar tief. Indem es Himmel Erde umspannt und aus dem Formlosen schöpft, erzeugt es einen tiefen Strom ohne über die Ufer zu treten. Es ist selbst undurchdringlich und verwendet doch fortwährende Klärung indem es innehält. Wenn es einer Bestimmung zugeführt wird, ist es grenzenlos und kennt weder Tag noch Nacht, versucht man es zu beschreiben füllt es noch nicht einmal die Hand.

Es ist gebunden und kann sich dennoch ausbreiten. Es ist selbst dunkel aber kann erhellen, es ist veränderbar und kann dennoch fest sein. Es ruht im Yin und erzeugt das Yang und gibt dadurch dem Licht der Sonne, des Mondes und der Sterne Gesicht. Es ist der Grund dafür, dass die Berge hoch und die Meere tief sind, dass die Tiere laufen und die Vögel fliegen. Auf Grund seines wirkens streifen Einhörner umher, Adler erheben sich und die Sterne folgen ihren Bahnen.

Es sichert das Überleben durch Zerstörung, sichert das Edle durch Bescheidenheit und sichert das Voranschreiten durch Rückzug. Im Altertum erlangten die Drei Edlen Einheit mit dem Weg und erreichten die Mitte; ihr Geist durchstreifte die Schöpfung und so waren sie überall.

Daher beeinflußt das Dao die Bewegung des Himmels und die Stabilität der Erde, sich endlos drehend wie ein Rad, unablässig fließend wie ein Fluss. Es ist am Anfang und Ende der Dinge: dort wo der Wind sich erhebt, die Wolken sich verdichten, der Donner grollt, der Regen fällt, es antwortet in unendlicher Übereinstimmung.

Es führt das Geschnitten und Polierte zurück zur Einfachheit. Es plant nicht um dies zu erreichen, sondern verschmilzt mit Leben und Tod. Es plant nicht um sich auszudrücken sondern kommuniziert durch innere Tugend. Es trägt eine friedvolle Fröhlichkeit in sich, die ohne Stolz ist, dadurch erreicht es Harmonie.

Das Dao bringt das Leben hervor und erzeugt unzählige Unterschiede: es bringt das Dunkle und das Helle in Einklang, reguliert die 4 Jahreszeiten und stimmt die Kräfte der Natur. Es feuchtet die wachsende Welt an und durchdringt die kristalline Welt. Die Tiere wachsen und ihr Fell glänzt, die Eier der Vögel brechen nicht, Tiere sterben nicht im Mutterleib. Die Eltern erleiden nicht den Verlust ihrer Kinder, Geschwister erleben nicht den gegenseitigen Verlust. Kinder verwaisen nicht, Ehefrauen werden keine Witwen. Am Himmel sind keine schlechten Omen erkennbar, Raub und Diebstahl gibt es nicht. All dies wird durch Tugend hervorgebracht.

Das natürlich voranschreitende Dao bringt die Wesen hervor ohne sie zu besitzen, es erzeugt das Voranschreiten der Dinge, ohne die Herrschaft zu übernehmen. Alle Wesen sind durch ihre Geburt auf es angewiesen, doch keiner weiss ihm zu danken; alle sterben wegen ihm, doch keiner grollt ihm. Es ist weder durch Lagerung oder Ansammlung zu stärken, noch durch Verwendung oder Genuss zu erschöpfen.

Es ist so ungreifbar und unbeschreiblich, dass es unvorstellbar ist, doch obwohl es ungreifbar und unbeschreiblich ist, ist seine Funktion unbegrenzt. Tiefgründig und verborgen antwortet es auf die Entwicklung der Dinge ohne Form anzunehmen; erfolgreich und nachhaltig ist seine Wirkkraft niemals fruchtlos. Es kommt und geht mit Festigkeit und Nachgiebigkeit, es zieht sich zusammen und weitet sich auf mit Dunkelheit und Licht.

Wen Tzu 2

Laotse sagt:

Wahre Menschen sind friedfertig und haben keine Sehnsüchte; sie sind ruhigen Gemüts und kennen keine Sorgen. Sie machen den Himmel zu ihrem Dach und die Erde zu ihrem Gefährt; die vier Jahreszeiten sind ihr Antrieb und das Licht weist ihnen den Weg. Sie reisen wo es keine Straßen gibt, durchstreifen die Welt ohne Überdruss und scheiden aus der Welt wo es kein Tor gibt.

Mit dem Himmel als ihr Dach bleibt nichts unbedeckt; mit der Erde als ihr Gefährt gibt es nichts, das ungetan bleibt. Mit den vier Jahreszeiten als ihr Antrieb bleibt nichts ungenutzt; da Licht und Schatten ihnen den Weg zeigen gibt es nichts, was nicht einbezogen würde. Daher sind sie flink ohne zu schwanken und sie reisen weit ohne zu ermüden. Da ihre Körper unbeirrt sind, ist ihr Verstand unvermindert und sie sehen die gesamte Welt wie sie ist. Dies bedeutet die Essenz des Weges in sich zu tragen und die gesamte Welt wahr zu nehmen.

So wird das Weltgeschehen nicht durch erdachte Konzepte beeinflußt, sondern entsprechend seiner individuellen Natur unterstützt. Um die ständige Wandlung der unzähligen Wesen zu unterstützen kann nichts getan werden, als die Essenz zu begreifen und zu ihr zurückzukehren. Daher kultivieren die Weisen ihr Innerstes und schmücken sich nicht mit äußerlichen Oberflächigkeiten. Sie bedienen sich des lebenserzeugenden Geistes und lassen erlernte Konzepte los. Daher sind sie aufrichtig und ungekünstelt, und doch gibt es nichts was sie nicht tun; sie folgen dem Gesetz nicht und doch gibt es kein Fehlverhalten.

Ungekünstelt zu sein bedeutet: nicht Handeln bevor andere es tun.

Dem Gesetz nicht zu folgen bedeutet: die Natur nicht zu verändern.

Kein Fehlverhalten zu zeigen bedeutet: in Übereinstimmung mit den Wesen voran zu schreiten.

Wen-Tzu 3

Lao Tse sagt:
Diejenigen, die dem Dao folgen um die Menschen zu leiten, folgen den Ereignissen wie sie geschehen und handeln im Einklang mit den Bedürfnissen der Menschen. Sie gehen auf die Entwicklung aller Lebewesen ein und handeln im Einklang mit dem Ablauf der Dinge.

Der Weg ist leer und nicht gegenständlich, ausgeglichen und ungezwungen, klar und ruhig, anpassungsfähig und nachgiebig, unverfälscht und rein, schlicht und einfach.

Die Leerheit des nicht Gegenständlichen ist der Wohnort des Weges. Das Ausgeglichene und Ungezwungene ist das Fundament des Weges. Klare Ruhe ist das Spiegelbild des Weges. Anpassungsfähige Nachgiebigkeit ist die Arbeitsweise des Weges. Die Umkehr ist die Bestimmung des Weges, die Anpassungsfähigkeit ist Beständigkeit des Weges, die Nachgiebigkeit ist die Stärke des Weges. Unverfälschte Reinheit und schlichte Einfachheit sind der Stamm des Weges.

Leerheit bedeutet keine Bürde zu tragen. Gleichmäßigkeit bedeutet die Gedanken sind ohne Fesseln. Wenn einen schlechte Gewohnheiten nicht belasten ist dies die Vollendung der Leere. Wenn es weder Begierde noch Vermeidung gibt, ist dies die Vollendung der Ungezwungenheit. Unveränderlich in der Einheit zu weilen ist die Vollendung der Ruhe. Von der Welt nicht verwirrt zu sein ist die Vollendung der Reinheit. Nicht zu trauern oder in Verzückung zu geraten ist die Vollendung der Tugend.

Die Herrschaft vervollständigter Menschen verabscheut Intellektualismus und entledigt sich angeberischen Zierrats. Da sie sich auf den Weg verläßt verweigert sie sich der Durchtriebenheit. Sie entsteht aus Gerechtigkeit im Einklang mit dem Volk. Sie begrenzt den Besitz und hält die Begierden klein. Sie beseitigt verführerische Sehnsüchte, merzt die Begierde nach Pretiosen aus und vermindert die Grübelei.

Den Besitz zu begrenzen führt zu Klarheit; Begierde zu mindern bedeutet Vollendung. Wenn das Äußere aus dem Zentrum heraus gesteuert wird, wird nichts versäumt. Wenn Du das Zentrum erlangen kannst, kannst du das Äußere lenken.

Wenn die Mitte erreicht wird sind die inneren Organe ruhig, die Gedanken sind gleichmäßig, Sehnen und Knochen sind fest, die Ohren sind frei und die Augen sind klar.

Der große Weg ist nicht fern von uns selbst. Diejenigen, die ihn in der Ferne suchen, gehen und kehren bald zurück.

Wen-Tzu 106

Hier meine Lieblingsstelle. Ich stolperte übder diese Passage und mußte den Text einfach vorab einstellen:

Über Einiges darf man reden, ohne es zu tun, und Einiges darf man tun, ohne darüber zu reden.
Einiges ist schnell begonnen, aber schwer zu beenden, Anderes ist schwer erarbeitet, aber schnell verloren.

Was man tun sollte, ohne darüber zu reden, ist: Entscheidungen zu fällen.

Worüber man reden darf, ohne es zu tun, ist: Betrügereien auszuhecken.

Was einfach zu tun und schwer zu beenden ist: die Arbeit an einem Werk.

Was schwer erarbeitet und leicht zu verlieren ist: ein guter Ruf.

Diese vier Dinge beachten die Weisen und sie können nur von den Erleuchteten erkannt werden.

(Lao-tzu aus dem Wen-tzu, Kapitel 106)

English Version:

So there are things that are all right to talk about but not to do, and there are things that are all right to do but not to talk about. There are things that are easy to do but hard to complete, and there are things that are hard to perfect and easy to ruin.

Something that is all right to do but not to talk about is making choices. Something that is all right to talk about but not to do is contriving deception. Something that is easy to do but hard to complete is work. Something that is hard to perfect and easy to ruin is repute.
These four things are objects of sages`attention, seen only by the illumined.